Nachdem Kiss von 1974 bis 1977 immerhin 5 überwiegend hervorragende Hardrock-Alben hingelegt hatten, haben sie von 1978 bis 1981 eine "Verschnaufpause" und musikalische Neuorientierungsphase eingelegt, in der sie versuchten, sich weiterzuentwickeln und neu zu finden. Diese Neuorientierung muß man Kiss zugestehen, denn einfach ein 6. Hardrock-Album nach gleichem Stil hinterherzuschieben, wäre sicher nicht besser gewesen - irgendwann hätte sich das totgelaufen. Diese Zwischenphase - bevor es dann ab 1982 mit "Creatures of the night" in eine neue, weiterentwickelte Hardrock-Zeit ging - hat man Kiss jedoch immer sehr übel genommen und alle während dieser Zeit entstandenen Alben werden gleichermaßen zerrissen - bis auf die grottenschlechten Solo-Alben von Simmons und Stanley völlig zu Unrecht.
In dieser Phase der musikalischen Weiterentwicklung und Selbstfindung entstand also 1979 die "Dynasty". Dieses Album ist Kiss-historisch alleine schon deshalb etwas besonderes, weil es den Disco-Rock-Knaller "I was made for loving you" enthält - Kiss' mit Abstand erfolgreichster und allseits bekannter Song. Mit diesem Song hat Kiss eine Menge Kohle verdient, aber seinen Ruf als Hardrock-Band nachhaltig versaut. 90% der Leute bringen Kiss nur mit diesem Song in Verbindung, doch Kiss-Fans wissen, daß er einer der untypischsten Kiss-Songs ist und für mich persönlich ist er auch einer der schlechtesten. Peter Criss' Abschiedssong "Dirty living" - es ist der einzige Dynasty-Song und letzte Kiss-Song überhaupt, auf dem Criss migewirkt hat - ist ebenfalls sehr Kiss-untypisch, so eine Art Swing-Rock. Mir gefällt das Stück trotzdem gut, wie ich überhaupt Peter Criss als Sänger mag, mir gefällt seine rauchige, swingende Stimme. (Wem dieses Stück gefällt, dem kann ich auch Criss' Kiss-Solo-Platte von 1978 empfehlen.)
Alle anderen Stücke auf diesem Album sind definitiv rockig und allesamt gut bis hervorragend. "Sure know something" ist für mich Kiss' schönste Rockballade. Sehr emotional von Paul Stanley gesungen, überhaupt nicht kitschig und mit rockiger Gitarren- und Bass-Begleitung. Überhaupt der Bass: Auch auf diesem Album lieferte Gene Simmons als Bassist wieder eine Ausnahmeleistung ab. Es ist immer wieder eine Freude, wie Gene dieses Instrument - das man bei den meisten anderen Gruppen kaum wahrnimmt, weil es lediglich im Hintergrund vor sich hinwummert - in den Vordergrund rückt und melodisch einsetzt. Auch "Charisma" ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel. Dieses sowie alle nachfolgenden Stücke auf diesem Album sind echte Kracher und zählen definitiv zu den besseren Kiss-Songs überhaupt. Auf "Save your love" gibt es auch ein richtig geiles Drums-Solo, mit rockiger Gitarrenbegleitung - so eine Art Duett aus Drums und Gitarre - auf der Gast-Drummer Anton Fig zeigt, daß er ein mindestens gleichwertiger Ersatz für die davon gelaufene Katze ist.
FAZIT: Dynasty hat seinen schlechten Ruf völlig zu Unrecht. Es ist zwar nicht so hardrockig wie die Vorgänger-Alben, es ist aber auch keinesfalls soft oder gar poppig, sondern handfester, melodischer Rock im besten Sinne. Musikalisch stellt sich Kiss deutlich weiterentwickelt dar. Der rauhe, ungestüme Stil, der ja auch den Charme der ersten Kiss-Alben ausmachte, ist einer erwachsenen, reifen Produktion gewichen. Gesang, Bass- und Gitarrenspiel wie auch die Produktion insgesamt sind auf höchstem Niveau.
A1.I Was Made For Lovin' You 4:30 Min
A3 .Sure Know Something 4:00 Min
B5.Save Your Love 4:39 Min